Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23.05.2006 ist unter den Insolvenzverwaltern und Verwalter-Kandidaten auf großes Interesses gestoßen. Grund genug für das Institut für Insolvenzrecht, zu einem aktuellen Vortrag hierüber einzuladen.
Für das interessierte Publikum konnte mit Prof. Dr. Joachim Wieland ein – wie der Vorsitzende Dr. Volker Römermann in seiner Einleitung herausstrich – überaus kompetenter Referent gewonnen werden. Dieser war fünf Jahre lang Assistent und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am BVerfG und ist derzeit Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt/Main.
In seinem kurzweiligen Vortrag analysierte und bewertete der Referent die Entscheidung des BVerfG. Seiner Ansicht nach stellt das Urteil für (überschaubare) Zeit die Grundlage der Entscheidungspraxis dar. Eindeutig geklärt sind nach Auffassung des Vortragenden folgende – in der Rechtslehre bislang umstrittene – Punkte:
- Die Bestellung des Insolvenzverwalters durch den Insolvenzrichter ist keine Rechtsprechung, sondern Verwaltungstätigkeit.
- Die Berufsfreiheit des Art. 12 GG ist nach Auffassung des BVerfG, welcher der Referent nicht teilt, nicht betroffen. (Die im Kammerbeschluss von 2004 aufscheinende Rechtsprechungslinie des BVerfG wurde insoweit implizit aufgegeben.)
- Art. 33 II GG (Recht auf Zugang zum öffentlichen Dienst) gilt nicht, weil der Insolvenzverwalter kein öffentliches Amt bekleidet.
- Der Prätendent, der sich um ein Insolvenzverwaltermandat beim Gericht bemüht, wird allein durch den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 I GG) geschützt. Das hat zur Folge, dass nur die „faire Chance“ auf Bestellung zum Verwalter geschützt ist. Dem Insolvenzrichter wird ein (weites) Auswahlermessen zugestanden.
Prof. Wieland hob hervor: Das BVerfG stelle ausdrücklich darauf ab, dass nicht unbedingt der „beste Bewerber“ ausgewählt werden müsse, sondern dass nur ein geeigneter Bewerber bestellt werden müsse. Die für das Auswahlverfahren notwendigen Kriterien hab das BVerfG den Fachgerichten überlassen, so dass insofern Unklarheit bestehe. Klar sei aber, welche Kriterien nicht zulässig seien: Die feste Auswahlliste (closed shop) sei unzulässig, ein Bekanntschafts- und Vertrauensverhältnis zwischen Richter und Verwalter spiele keine Rolle, der im Wirtschaftsverwaltungsrecht geltende Grundsatz „Bekannt und bewährt“ gelte also nicht.
Weil dem Insolvenzrichter bei der Auswahl das schon erwähnte weite Ermessen zustehe, sei der Rechtsschutz für die Prätendenten vom BVerfG eingeschränkt worden: Die Konkurrentenschutzklage und das einstweilige Verfügungsverfahren seien ausgeschlossen.
Als Rechtsschutzmöglichkeiten stünden, so Wieland, nur der Feststellungsantrag nach den §§ 23 ff. EGGVG – wofür die Diskriminierung bei der Auswahl glaubhaft gemacht werden müsste – und der Schadensersatzanspruch wegen Amtshaftung nach Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB zur Verfügung. Bei letzterem werde aber die Ursächlichkeit zwischen der Nicht-Auswahl eines geeigneten Bewerbers als Pflichtverletzung und dem eintretenden Schaden im Regelfall kaum nachweisbar sein. Denn wie solle ein abgelehnter Bewerber nachweisen, dass es außer ihm keinen anderen geeigneten Bewerber gegeben habe?
Gerade aus diesem Grunde sahen einige der nachfragenden Zuhörer einen wirksamen Rechtsschutz als nicht gegeben an. Der Referent wollte dies jedoch nicht gelten lassen: Die Praxis werde taugliche Kriterien für die Geeignetheit entwickeln, und dies werde die Rechtsschutzmöglichkeiten für abgelehnte Bewerber verbessern.
Damit wies Prof. Wieland zugleich voraus auf die nächste Veranstaltung des Instituts für Insolvenzrecht am 28.09.2006 mit dem Titel „Qualitätsmanagement bei Insolvenzgerichten“.
Philipp Austermann