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Viel Unheil anrichten lässt sich mit einem ISO-zertifizierten Büro und über selbst aufgestellte Normen, warf Professor Hans Haarmeyer (rechts) seinem Diskutanten Dr. Karsten Förster vor. Foto: JaMedia

Hannover. Ein spannendes Thema, zwei Lehrmeinungen dazu - und rund 50 interessierte Zuhörer, von denen viele interessiert mitdiskutierten: "Was will man mehr!" rief Dr. Volker Römermann begeistert nach der Veranstaltung "Qualitätsmanagement in der Insolvenzverwaltung" am 20. April beim Institut für Insolvenzrecht im Vortragssaal der Leibniz-Bibliothek. Die Protagonisten - hie Professor Dr. jur. Hans Haarmeyer vom Fachbereich Betriebs- und Sozialwirtschaft von Rhein Ahr Campus der Fachhochschule Koblenz - dort Dr. Karsten Förster von der Kanzlei Wutzke und Förster aus Oldenburg und Bremen fochten zunächst tapfer mit zugespitzten Argumenten frei nach dem Highlander-Prinzip: Es kann nur eine Lehrmeinung geben. Bekanntlich hatten beide bereits 2005 in der ZInsO ihren Streit etabliert.

Ein Ratingsystem als Problemlöser
Wann ist ein Insolvenzverwalter ein guter Vertreter seines Fachs und damit kein schwarzes Schaf - und nach welchen Kriterien lässt sich das messen: Dieser Gretchenfrage ging zunächst Professor Haarmeyer in seinem Vortrag nach - und schlug zur Problemlösung ein ausgefeiltes Ratingsystem vor. Dem widersprach Dr. Förster energisch - er hält den Berufsstand des Insolvenzverwalters bereits für überreguliert. Sein Lösungsvorschlag: Eine ISO-Zertifizierung, der sich die Insolvenzverwalter auf freiwilliger Basis mit ihren Kanzleien unterziehen. Beide Meinungen stießen beim Publikum auf Widerspruch. 
Eine qualitätsorientierte Vergabe von Insolvenzverfahren beseitige die Grauzone bisheriger Bestellungspraxis nach Gutsherrenart durch die Richter und sichere eine wirkliche Bestenauslese, argumentierte Professor Haarmeyer für sein System. Dabei unterstrich er die Legitimation durch das Hauptziel der InsO: Bestmögliche Befriedigung der Gläubiger durch eine Bestenauslese unter den Verwaltern. "Sie sind als Treuhänder fremden Vermögens Manager auf Zeit. Die Bestenauslese als Anspruch für Gläubiger und Schuldner liegt dabei auch im öffentlichen Interesse", bekräftigte Professor Haarmeyer. Sein neues Ratingmodell für Unternehmens-Insolvenzverwalter in Stichworten: 1. Nur für Unternehmen im HGB-Format. 2. Einheitliche, messbare und redundanzfreie Kriterien. 3. Vergleichbarkeit von verschiedenen Verwaltern und Gerichtsbezirken. 4. Erhebung der Werte in einem Zeitraum von fünf Jahren - zur Nivellierung von Schwankungen und Ausreißern. 5. Valide und repräsentative Grundlage auf Basis von 30 Insolvenzverfahren.

Transparente Verfahrensabwicklung
Zur einheitlichen Prüfung der Insolvenzverwalter schlägt Professor Haarmeyer die Entwicklung eines Fragen- sowie die Erstellung eines Kriterienkatalogs vor. Letzterer soll auch die Qualität der Mitarbeiter und die Quoten berücksichtigen. Insgesamt geht es ihm bei seinem Modell um die Transparenz der Verfahrensabwicklung. "Das ist der Schlüssel zur Verhinderung der Belegmanipulation und Durchschiebung eigener Mitarbeiter auf Kosten des Schuldners", konstatierte der Referent. Zur Verhinderung von Machenschaften forderte er Kostenüberwachungssysteme, eine Verwalterpräsenz vor Ort sowie ein Controlling- und Risikomanagementsystem. Ziel sei ein krisenerprobter Manager für schwierige Situationen - im Gegensatz zu dem jetzt mitunter anzutreffenden Insolvenzverwalter als Leichenfledderer.
Umsetzen will Professor Haarmeyer seine Vorschläge mit Hilfe des Deutschen Instituts für angewandtes Insolvenzrecht. Zu ihm zählen 25 Professoren und Insolvenzrecht-Profis von Kempten bis Kiel. Der von ihnen erstellte Fragebogen soll für 150 Euro zu haben sein (Haarmeyer: "Wir wollen damit kein Geld verdienen"). Instituts-Mitarbeiter geben den gerateten Insolvenzverwaltern eine qualifizierte Rückmeldung. Das erstellte Zertifikat soll für drei Jahre gelten. "Mit diesen Maßnahmen erreichen wir eine deutliche Verbesserung der jetzigen Lage", betonte Professor Haarmeyer.

Gegen weitere Regulierungen
Vehement widersprach ihm Dr. Förster. "Sind wir alle so schlecht, dass wir mit einem so engmaschigen Kontrollsystem überzogen werden müssen", fragte er in die Zuschauerrunde. Er habe eine generelle Abneigung gegen eine weitere Regulierung des Berufsstandes. Zudem handele das Gros der Insolvenzverwalter rechtmäßig - und Kriminelle gebe es in allen Berufszweigen. Generell äußerte er seine Skepsis gegenüber den Kriterien von Professor Haarmeyer: "Ein Zielbündel, das sich nicht beherrschen lässt", so das Verdikt des streitbaren Anwalts. Als Verwalter habe man am Einzelfall gute Arbeit zu leisten. Daran sehe das Gericht, dass man sein Handwerk beherrsche. Er halte die freiwillige ISO-Zertifizierung der Verwalter für das Mittel der Wahl. Gemessen werden Akzeptanz und Erfolg im geschäftlichen Umfeld - durch die Festlegung in einem Handbuch. Die Kriterien dazu erstelle der Insolvenzverwalter mit seinen Mitarbeitern. Ein Parameter dabei sei die Zufriedenheit der Gerichte mit den Verwaltern. Learning by doing-Kriterien, im Handbuch festgelegt, sorgten für ein ständig höheres Qualitätsniveau. "Damit kann man sich dann bei den Gerichten bewerben", schlug Dr. Förster vor.

Ein Zielbündel, das sich nicht beherrschen lässt, fällte Dr. Karsten Förster (links) sein Urteil über das Ratingmodell des Kollegen Professor Hans Haarmeyer. Foto: JaMedia

ISO-Zertifizierung als Unheil
Man könne auch mit einem ISO-zertifizierten Büro und über selbst aufgestellte Normen viel Unheil anrichten, hielt ihm Professor Haarmeyer entgegen. Eine Mitarbeiterin des Finanzamts Hannover im Publikum versuchte den Streit zu schlichten: "Für mich ist wichtig, dass der Verwalter die richtige Entscheidung trifft - entweder das Unternehmen zu sanieren oder zu liquidieren." Das mache einen guten Verwalter aus, ergänzte sie. Ein weiterer Zuhörer legte den Finger in die Wunde: "Kern des Problems ist das fehlende einheitliche Berufsbild von Insolvenzverwaltern." Der Verwalter könne sich nicht darauf reduzieren lassen zu sagen, er sei gut. Für nur noch eine Frage der Zeit hält es Professor Haarmeyer, bis der EuGH zur Qualifizierung von Insolvenzverwaltern ein entsprechendes Urteil fälle.

Wettbewerbsvorteil Rating
Richter Klaus Neubert vom Amtsgericht Hannover fand den Ansatz von Professor Haarmeyer gut, glaubte aber nicht an seinen Erfolg: "Viele Kriterien sind gut - aber auch beliebig." Ein Risiko bestehe darin, dass die Verwalter sich nicht dem Rating unterzögen. Andererseits stelle es für den gerateten Insolvenzverwalter einen Wettbewerbsvorteil dar. "Wenn man mit Qualitätskontrollen beginnt, wird es auch Verlierer geben", warnte er. Genau das beabsichtige er, entgegnete ihm Professor Haarmeyer. Rainer M. Bähr, Fachanwalt für Insolvenzrecht aus Hannover, erklärte, sowohl Richter als auch Verwalter seien mit dem jetzigen System unzufrieden. "Ich habe auch viele Kritikpunkte. Aber ich kenne kein besseres Hilfsmittel für den Richter als ihr System", sagte er zu Professor Haarmeyer. Der nahm die Kritik ernst und räumte ein, noch ein Feintuning vornehmen zu müssen. Spätestens im Juni will er einen Aufsatz mit dem Kriterienkatalog für Insolvenzverwalter in der ZInsO veröffentlichen. "Es geht nur auf freiwilliger Basis - und im Konsens mit allen Beteiligten", lautete sein Fazit. Immerhin haben sich bereits die ersten drei Insolvenzverwalter bei ihm gemeldet, die sich raten lassen wollen.

Harald Jacke

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