Hannover. „Endlich mal eine Frau als Dozentin“, freut sich ein Zuhörer am 20. November bei der letzten Veranstaltung des Instituts für Insolvenzrecht dieses Jahres im Vortragssaal der Leibniz-Bibliothek. Jens Wilhelm V, Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Instituts für Insolvenzrecht und stellvertretender Vorstandsvorsitzender, begrüßt vor rund 30 Interessenten die Diplom-Sozialwissenschaftlerin Ellen Berger. Die Leiterin des Instituts für angewandte Sozialpsychologie (IAS) in Bad Nenndorf referiert über die Bedeutung kommunikativer Kompetenz für den Insolvenzverwalter. Leider habe sich die Konfliktslösungskompetenz als Qualitätsmerkmal nicht in den vom Verband der Insolvenzverwalter im November 2006 beschlossenen Berufsgrundsätzen zur Bestellung von Insolvenzverwaltern niedergeschlagen, bedauert eingangs Jens Wilhelm V. Ihm persönlich liege das Thema jedoch sehr am Herzen. Er stellt Ellen Berger vor als langjährige Dozentin für Seminare zur politischen Bildung bei Arbeit und Leben und an der Universität Hannover. Seit nunmehr zehn Jahren sei sie als Kommunikationstrainerin selbstständig.
Sie halten die Fäden in der Hand, Probleme per Konfliktmanagement zu entschärfen
Kommunikation als Schlüsselqualifikation
„Die Kommunikationsfähigkeit zählt zu den Schlüsselqualifikationen, die der Gesetzgeber für das Fach Jura vorgibt“, klärt die Referentin gleich zu Beginn ihres Vortrags auf. Dann zitiert sie Professor Klaus Berger von der Universität Köln: „Sprache und Kommunikationsfähigkeit sind die Waffen des Juristen.“ Kommunikative Kompetenz sei die Fähigkeit, konstruktiv, effektiv und bewusst mit seinen Mitmenschen zu kommunizieren. Ellen Berger unterscheidet dazu drei Bausteine: die fachliche, soziale und Methodenkompetenz eines Insolvenzverwalters. Zur fachlichen Kompetenz zählt sie die Kenntnisse von Rechtsnormen aus dem Insolvenz-, Vertrags- und Vermögensrecht. Methodenkompetenz bezieht sie auf Kommunikationskonzepte, -modelle und -techniken, die der Versachlichung von Konflikten dienen. Die soziale Kompetenz macht sie an der Persönlichkeit, Empathie und Kommunikationsbereitschaft eines Insolvenzverwalters fest. Dieser stehe tagtäglich vor zahlreichen Herausforderungen: vor Schuldnern, die Angst hätten als Loser dazustehen. Vor störrischen oder kooperativen Gläubigern. Und vor Bankern, mit denen sie um Lösungen zu ringen hätten. „Immer sind menschliche Schicksale konflikthaft betroffen – Sie halten souverän die Fäden in der Hand, über ein gutes Konfliktmanagement diese Konflikte zu entschärfen“, sagt Ellen Berger ihren Zuhörern.
Konflikte – für den Insolvenzberater unvermeidbar
Für den Insolvenzverwalter gelte es, Probleme frühzeitig zu erkennen, richtig zu analysieren und dann konstruktiv zu lösen. „Konflikte sind in ihrem Beruf unvermeidbar. Wenn Sie sie nicht rechtzeitig bearbeiten, drohen diese zu eskalieren“, gibt die Vortragende zu bedenken. Für einen Insolvenzverwalter bedeute erfolgreiches Arbeiten vor allem sachgerecht zu verhandeln. Damit gibt sich die Referentin selbst das Stichwort für das so genannte Harvard-Konzept. Danach gilt es, Menschen und Probleme getrennt zu behandeln (Ellen Berger: „Hart in der Sache, weich zum Menschen sein“). Weiter solle man sich auf Interessen konzentrieren anstatt auf Positionen - und Optionen zum beiderseitigen Vorteil entwickeln und dazu neutrale Beurteilungskriterien vereinbaren. „Ein erprobtes Konzept, das sehr wirksam ist – selbst wenn es nur von einer Seite beherrscht wird“, betont Ellen Berger. 80 Prozent der menschlichen Kommunikation liefe ins Leere, nennt die Referentin eine beunruhigende Zahl. Worte könnten einen Menschen eben glücklich machen – aber auch verzweifeln lassen. „Je länger ich mich mit dem Thema befasse, desto mehr wundere ich mich, dass Verständnis überhaupt noch möglich ist“, gesteht die Kommunikations-Expertin aber auch ein.
Beziehung bestimmt die Inhalte
Bei jeder Kommunikation gelte, dass die Beziehungsebene die Inhaltsebene bestimme. „Möglicherweise fühlt sich ein Geschäftsführer bereits am Telefon bevormundet, der von sich sagt: Mein Betrieb ist nicht insolvent – ich brauche keinen Insolvenzverwalter.“ Mit seiner Ablehnung reagiere er vielleicht auf den Ton der Nachricht des Insolvenzverwalters, der sein Kommen gegenüber dem Geschäftsführer ankündige, erläutert Ellen Berger. Denn eine Nachricht habe nach dem Sender-Empfänger-Modell des Kommunikations-Papstes Schulz von Thun immer vier Seiten: die Sachebene, die Beziehungsebene, die unbewusste Selbstkundgabe sowie einen Appell an die andere Seite. Diesen vier „Mündern“ des Senders Insolvenzberater (Sachmund: „Wann kann ich Sie treffen?“; Appellmund: „Nennen Sie mir den Termin!“; Selbstkundegabemund: „Ich bin jovial“ und der Beziehungsmund: „Ich stehe über Ihnen“) ständen die vier Empfänger-Ohren des insolventen Geschäftsführers gegenüber: Ein geschlossenes Sach-Ohr, das Appell-Ohr („Ich soll machen, was der will“), ein Selbstkundgabeohr („Der ist arrogant“) und das Beziehungsohr („Auf den habe ich gerade gewartet“). „Professionelle Kommunikation sollte alle diese Aspekte berücksichtigen, um Konflikte beherrschbar zu machen“, sagt Ellen Berger. Sie weist dazu auch auf den richtigen Tonfall und die Körperhaltung hin und zitiert Henry Ford: „Ein Geheimnis des Erfolgs besteht darin, den Standort des anderen zu verstehen und die Dinge mit seinen Augen zu sehen.“ Man solle versuchen zu verstehen, was den anderen vor seinem Erfahrungshorizont zu bestimmten Handlungen bewege, ohne das gutzuheißen, rät Ellen Berger ihrem Publikum. Dazu gehöre Empathie und Einfühlungsvermögen. Letzteres sei das Vermögen, das sich am besten verzinse. Alles beginne mit dem richtigen Zuhören.
Der Herr der Pleiten
Für ein besseres Kommunikationsverhalten zwischen Insolvenzverwalter und einem von Insolvenz betroffenen Geschäftsführer gibt Ellen Berger dann dieses Beispiel für die erste Kontaktaufnahme: „Guten Tag, mein Name ist Dr. Voß von der Kanzlei Voß und Partner. Sicherlich sind Sie nicht erfreut, meinen Anruf zu erhalten. Das Gericht hat mich als Insolvenzverwalter für Ihr Unternehmen bestimmt. Ich werde Ihnen helfen, mit der für Sie sicherlich schwierigen Situation umzugehen. Wann kann ich zu Ihnen kommen, um die Akten einzusehen?“ Als Beispiel für einen Insolvenzverwalter, der die Kunst der richtigen Kommunikation beherrscht, nennt die Dozentin Jobst Wellensiek. Die Zeit habe ihn in dem Artikel „Der Herr der Pleiten“ als Notarzt todkranker Unternehmen gewürdigt. „Sie können Lösungen finden, die nachhaltig wirken und alle Interessen befriedigen“, appelliert Ellen Berger zum Ende ihres Vortrags an die aufmerksam zuhörenden Insolvenzverwalter und verweist auf ihr umfangreiches Angebot an spezifischen Kommunikationstrainings.
Nicht immer im Konsens
In der anschließenden Diskussion meldet sich Richter Klaus Neubert zu Wort: „Im Strafrecht gibt es mittlerweile den Deal. Auch für mich ist es einfacher, die Leute zu überzeugen – und sei es, dass der Angeklagte ein Strafverfahren vermeidet. Alles andere ist wesentlich aufwändiger für alle Beteiligten“, betont er. Insolvenzverwalter Bähr ist kritischer gegenüber dem Gehörten: „Wenn man überfreundlich ist, kann das auch nach hinten losgehen“, schildert er seine Erfahrung. Ernsthaft und aufrichtig solle man kommunizieren, nicht sich einschleimen, wirft die Referentin ein. „Wir haben wirtschaftliche Interessen gegeneinander abzuwägen – das muss nicht immer im Konsens enden“, gibt Rechtsanwalt Willmer zu bedenken. Zudem gebe der Insolvenzverwalter vor, wann er den insolventen Betrieb besuche – und das, bevor er zum Telefonhörer greife: „Weil wir oft nur wenig Zeit haben, ist für uns Kommunikation noch schwieriger als für andere.“ Anschließend dankt Jens Wilhelm V der Referentin. Ihm habe der Vortrag viel Mut gemacht. Alle 30 Teilnehmer klatschen.